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Dr. Stefan Bollinger spricht zu den Ursachen des Ersten Weltkrieges und dessen Beendigung - sowie zur Bedeutung für Abrüstung, Deeskalation und Frieden heute. Er hat an der Humboldt-Universität in der DDR Philosophie, Politikwissenschaften und Geschichte studiert, ist Publizist und Redakteur der Zeitschrift Z - Marxistische Erneuerung, und tätig im Vorstand von Helle Panke e.V. sowie der Historischen Kommission der Partei DIE LINKE. Kino gegen Austerität: Wege zum Ruhm (USA 1957) von Stanley Kubrick 30.10.24, 20 Uhr, Philosophenturm Uni Hamburg: Kokoschka-Hörsaal D, Von-Melle-Park 6 Es gibt keinen gerechten Krieg. Das liegt schon in der einfachen Tatsache begründet, dass einige Wenige hervorragend an ihm verdienen, während er für die übergroße Mehrzahl der Bevölkerung nur Verluste bedeutet: zuallererst an Menschenleben, aber auch an Entwicklungsperspektiven, an sozialen, kulturellen und politischen Gestaltungsmöglichkeiten, an Humanität, Hoffnung, Rechten und Freiheiten. Je länger ein Krieg dauert, desto deutlicher treten diese Gegensätze zu Tage. Daran ändert auch keine noch so ausgefeilte Erzählung von den sittlichen Berechtigungen eines Krieges, von „wehrhaften Demokratien“, „nationalen Verteidigungserfordernissen“ oder „westlichen Werten“ irgendetwas. Die Rüstungsschmiede Rheinmetall freut sich über jeden in der Ukraine zerstörten, deutschen Panzer, denn er bedeutet volle Auftragsbücher und steigende Aktienkurse. Nicht nur Frieden, soziale Wohlentwicklung und die tatsächliche Lösung der globalen Probleme geraten so unter dröhnende Ketten, sondern auch Vernunft, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und die Herausbildung mündiger Persönlichkeiten. Dieses Verhältnis spiegelt sich auch in der Verfasstheit der Armeen selbst: je menschenfeindlicher ihre äußere Zwecksetzung, desto ausgeprägter ihre hierarchische, innere Verrohung. Zur Realisierung von Gerechtigkeit, Menschenwürde und humaner Entfaltung sind Krieg, Militär und Rüstung aus dem Leben der Menschheit nachhaltig zu verbannen. Das verdeutlichen nicht zuletzt zahllose künstlerische Werke über das Wesen des Krieges. Zu den aktuell aufschlussreichsten und eindrucksvollsten gehört dabei der 1957 veröffentlichte Debütfilm des weltberühmten US-Regisseurs Stanley Kubrick, „Wege zum Ruhm“, der eine wahre Begebenheit aus dem Ersten Weltkrieg fiktional verdichtet schildert. 1915 – ein Jahr nach Beginn – ist der Krieg zu einer brutalen Abnutzungsschlacht zwischen den aufgehetzten Völkern Europas geworden. Ruhmsüchtige Generäle werfen, unter dem Druck der siegestrunkenen Stimmungsmache in Politik und Medien, Hunderttausende Soldaten („einfache“ Arbeiter zumeist) in immer aussichtslosere Schlachten um ein paar Kilometer Geländegewinn. So auch der französische Divisionsgeneral Mireau, nachdem sein Vorgesetzter ihn davon überzeugt hat, die von den Deutschen gehaltene „Höhe 19“ zu nehmen, könne seiner Beförderung äußerst zuträglich sein. Obwohl sein Kommandeur im Felde, der Colonel Dax, vehement abrät, weil die Truppe bereits geschwächt und demoralisiert ist und mit hohen Verlusten zu rechnen ist, gibt Mireau den Angriffsbefehl. Als der Angriff bereits in den Gräben des Niemandslandes steckenbleibt, befiehlt Mireau der Artillerie, die eigenen Soldaten unter Beschuss zu nehmen, um sie zum Vorrücken zu zwingen. Der Angriff scheitert und kostet Tausende das Leben. Um vom eigenen Versagen abzulenken und sich für die vereitelte Beförderung zu rächen, stellt Mireau drei zufällig ausgewählte Infanteristen seines Regiments wegen „Feigheit vor dem Feind“ vors Militärgericht, um sie als Abschreckungsmaßnahme hinrichten zu lassen. Ihre Verteidigung übernimmt Colonel Dax, der die Machenschaften der höheren Dienstgrade zunehmend durchschaut und ihre niedrigen Motive verabscheut. Über diese exemplarische Kontroverse werden filmisch brillant die grundlegend barbarischen Wesenszüge des Krieges zur kritischen Kenntlichkeit gebracht. Gerade die besonders sittlich auftretende Obrigkeit erscheint in ihrer ganzen moralischen Verderbtheit. Der einfache Soldat, stellvertretend für Alle, die der Krieg zu Kanonenfutter für die Geschäfte der Herrschenden macht, erkennt im vermeintlichen Feind hingegen Seinesgleichen. So legt die ebenso aufrüttelnd wie analytisch präzise erzählte Filmparabel auch eine gewichtige Spur für heutige zu bildende Aussichten und Schlussfolgerungen: Alle, die nicht am Krieg verdienen, haben ein begründetes Interesse und gemeinsam realisierbare Möglichkeiten, ihn zu beenden. Wenn die globale Verwirklichung des Allgemeinwohls zum leitenden Motiv der bewusst kooperierenden Persönlichkeiten wird, sind Kriege unmöglich zu führen. Das lehrt gerade die Geschichte der Beendigung beider Weltkriege. Der Frieden ist zu gewinnen, nicht der Krieg. Er ist die Kunst, die menschliche Vergesellschaftung nach Maßgabe der Schönheit zu gestalten. Ein:e Jede:r ist dabei von Bedeutung.